Die Umsetzung der Istanbul Konvention - (k)eine Frage des politischen Willens
Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und keine Privatsache. Sie erfordert ein verantwortliches politisches und gesellschaftliches Handeln. Seit 2018 ist die Istanbul-Konvention (IK) in Deutschland geltendes Recht für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf allen staatlichen Ebenen. Das Gewalthilfegesetz stellt einen entscheidenden Schritt zu ihrer nachhaltigen und vollständigen Umsetzung dar. In dem Fachforum soll beleuchtet und diskutiert werden, welche Maßnahmen zur Umsetzung der Istanbul Konvention und des Gewalthilfegesetzes zum Schutz und zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen und ihrer Kinder bereits erfolgreich in Deutschland umgesetzt werden und welche Hürden auch in Zukunft noch zu überwinden sind, damit jede Betroffene in Deutschland erforderlichen Schutz und Hilfe erhält. Dabei geht es um die zentrale Frage, wie der Ausbau und die verlässliche finanzielle Absicherung des Hilfesystems für gewaltbetroffenen Frauen und ihre Kinder geplant und erreicht werden können.
An dem Forum 2.7 nahmen ca. 60 Personen teil. Dr. Helga Herzfeld leitete ein mit einem Kurzüberblick über die seit Februar 2018 als verbindliches Bundesgesetz in Deutschland geltende Istanbul-Konvention (IK), und skizzierte die Schritte ihrer Umsetzung im Freistaat Thüringen (siehe Präsentation). Seit 2021 besteht ein sichtbarer politischer Wille der aktuellen Landesregierung zur Umsetzung der IK. Das Land gilt als Vorreiter für den Gewaltschutz (gesetzlicher Rechtsanspruch, gesicherte Finanzierung). Die größte Herausforderung bleibt die praktische Umsetzung des Chancengleichheitsfördergesetzes, insbesondere die Schaffung erforderlicher Rechtsverordnungen zur Regelung von Finanzierung und Trägeranerkennung sowie der Ausbau der Beratungs- und Hilfeinfrastruktur, die Gewinnung von Fachkräften, der Qualitätsentwicklungsprozess und der Abgleich mit dem seit Februar im Rahmen der Umsetzung der IK eingeführten und bundesweit geltenden Gewalthilfegesetz (GewHG).
Moderiert von Petra Kaps diskutierten im Anschluss Tanja Demmel, Dorothea Hecht, Claudia Igney, Ruth Niebuer, Dag Schölper und Dr. Helga Herzfeld über den aktuellen Umsetzungsstand von IK und GewHG, über Herausforderungen bei dessen Umsetzung und über die Rollen von Bund, Ländern und Kommunen. Einige Aspekte wurden hierbei vertieft, u.a.:
- Erfordernis eines Gesamt(schutz)systems mit ineinandergreifenden Maßnahmen und kooperierenden Partner/innen verschiedener gesellschaftlicher Ebenen
- Reform Kindschaftsrecht, Einführung elektronischer Fußfessel für Täter
- Erfordernis stärkerer Präventionsarbeit zur Verhütung von Gewalt (u.a. Täterarbeit, Fortbildungsangebote für thematisch befasste Berufsgruppen), strukturelle Ursachen adressieren
- Besondere Bedarfe von besonders vulnerablen Zielgruppen inklusive Schnittstellen/Kooperationen fokussieren (u.a. (mit)betroffene Kinder, Frauen mit Behinderung/en)
- Erschwerte gesellschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Wohnungsmarkt) als mögliche Gründe für längere/ wiederholte Frauenhausaufenthalte
- Rechtsanspruch im GewHG erst ab 2032, Flickenteppich bleibt problematisch
- Statistik, Monitoring, Bedarfsanalysen: umfassende einheitliche Datengrundlage für sachgerechten Ausbau des Hilfesystems erforderlich, Zivilgesellschaft kennt Strukturen, Probleme fehlender Zahlen und heterogenem Vorgehen
- Haushaltsdefizit als große Herausforderung für Beteiligung von Kommunen an Aufgaben aus dem GewHG – Übertragung der Aufgaben an sie ohne finanzielle Hinterlegung nicht sachgerecht bzw. realisierbar, Bund und Länder in der Pflicht
Die Präsentationen zum Download:
- Dr. Helga Herzberg
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